Referenteninterview Achim Zerres

Referent Achim Zerres im Interview

 

Im Vorfeld zur gat | wat 2021 haben wir mit Achim Zerres (Abteilungsleiter Energieregulierung, Bundesnetzagentur) über den Transport und die Distribution von H2 gesprochen.

Herr Zerres hält einen Vortrag zum Thema: „Klartext: Ordnungsrahmen für H2-Netze“ am 25. November 2021 um 10:00 Uhr.

 

 

 

 

 

Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mit Wasserstoff sind rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen von großer Bedeutung. Welche Fragestellungen ergeben sich aus dem aktuellen rechtlichen Rahmen?

Die kürzlich in das EnWG aufgenommenen Bestimmungen zur Regulierung von Wasserstoffnetzen sorgen dafür, dass der politisch gewünschte Markthochlauf beginnen kann. Die Regelungen geben neuen Akteuren Sicherheit darüber, wo und über welche Prozesse sie Anlagen zur Erzeugung und Abnahme von Wasserstoff anschließen können. Das ist Grundlage für ihre jeweiligen Geschäftsmodelle.

Sicherheit wurde insbesondere dadurch geschaffen, dass die Grundbedingungen der Netzkostenermittlung sowie des Anschlusses und des Zugangs zum Wasserstoffnetz im EnWG geregelt wurden und eine Konsistenz des Regelungsrahmens erwartet werden kann. Gerade weil die Bestimmungen als Übergangsregelungen konzipiert sind und so der Dynamik des Markthochlaufs Rechnung tragen und den Netzbetreibern und Netznutzern in der Anwendung eine gewisse Flexibilität einräumen sollen, schaffen sie sachgerechte Rahmenbedingungen für Projektierer und Nutzer.

Sehr zu begrüßen ist die Möglichkeit, über die individuelle Festlegung der konkreten Ausgestaltung der Netzzugang- und Netzanschlussbedingungen im Wege des verhandelten Netzzugangs und die freie Verhandlung der Tarife für die Netznutzung, den in der Markthochlaufphase sehr unterschiedlichen jeweiligen Rahmenbedingungen im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netznutzer Rechnung zu tragen.

 

Über den Regulierungsrahmen für Wasserstoff wird auf europäischer Ebene intensiv diskutiert. Welche Unterschiede sehen Sie bei der Regulierung von Wasserstoff im Vergleich zu Strom- und Gasmärkten?

Die Situation im Wasserstoffmarkt ist eine gänzlich andere als bei Einführung der Regulierung von Strom- und Gasmärkten. So bestehen keine gewachsene Infrastruktur und kein liquider Markt. Dies ist ein fundamentaler Unterschied, der eine andere Vorgehensweise als bei Einführung der Regulierung für Strom und Gas im Jahre 2005 rechtfertigt und notwendig macht. Die Vorschriften setzen den Rahmen für einen zügigen und rechtssicheren Einstieg in den schrittweisen Aufbau einer nationalen Wasserstoffnetzinfrastruktur und enthalten für die Netzbetreiber Vorteile durch hohe Flexibilität bei gleichzeitiger Investitionssicherheit. Dabei ist die absehbar stärkere Nachfrage der Industrie und weniger der Haushalte eine weitere Abweichung zu Strom- und Gasmärkten.

Auch in der Netzplanung sind wir bei weitem noch nicht auf dem Niveau an Prognosesicherheit, wie wir es von Strom und Gas kennen und das eine behördliche Vorgabe des zu errichtenden Netzes erlauben würde. Mit dem Netzentwicklungsplan Gas 2020 haben FNB und BNetzA gezeigt, wo erste Leitungen aus dem Erdgasnetz ausscheiden können. Die Ad-hoc-Bedarfsprüfung der BNetzA stellt dann sehr aufwandsarm und frühzeitig fest, für welche dieser Leistungen oder andere Infrastrukturen im Wasserstoffmarkt Bedarf besteht und gibt so letztendlich auch Planungssicherheit für die dahinterstehenden Vorhaben zur Erzeugung und Abnahme von Wasserstoff.

 

Im neuen EnWG sind Regelungen zur Regulierung von Wasserstoffnetzen enthalten. Welche Möglichkeiten ergeben sich dadurch für die Gasnetzbetreiber?

Die Regelungen adressieren die Themenbereiche, die für die Markthochlaufphase für das reine Wasserstoffnetz besonders wichtig sind. Das sind unter anderem das Planungs- und Genehmigungsrecht, das die Umstellung von Erdgasleitungen auf Wasserstoff möglichst einfach gestalten soll und die Opt-in-Regulierung, die es den Netzbetreibern freistellt, ob sie sich dem Regulierungsrahmen unterwerfen oder ihre Tätigkeit im freien Markt anbieten wollen.

Wenn der Netzbetreiber sich für die Regulierung entscheidet erfolgt die Finanzierung über Entgelte auf Basis einer jährlichen Plan-/Ist-Kosten-Prüfung. Das bedeutet für die Wasserstoffnetzbetreiber, dass sie ihre Kosten jährlich auf Basis von Plankosten bei der BNetzA zur Prüfung einreichen können und über Entgelte, die sie mit dem Wasserstoffnutzer frei verhandeln können, erwirtschaften. Das schafft hohe Liquidität beim Netzbetreiber. Grundlage für die Ermittlung der Kosten bildet dabei die GasNEV und nicht die Anreizregulierung. Auch das kommt dem Aufbaucharakter des Projekts entgegen.

 

Während der Debatte über das neue EnWG forderten die Gasnetzbetreiber eine Ausweitung des Gasbegriffs im EnWG. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Regelungen für Erdgas auf den Bereich Wasserstoff 1 zu 1 übernommen worden wären. Die Diskussion wird sich anlässlich der Erstellung eines europäischen Rechtsrahmens wiederholen Was spricht aus Ihrer Perspektive gegen den Vorschlag der Gasnetzbetreiber?

Mit der Gleichsetzung von Erdgas und Wasserstoff streben die Netzbetreiber im Kern eine Quersubventionierung zwischen Erdgas- und Wasserstoffkunden und den unveränderten Erhalt ihres bisherigen Geschäftsmodells an. Dass private Haushaltskunden die Kosten der Wasserstoffinfrastruktur mit bezahlen, obwohl sie auf absehbare Zeit keinen Wasserstoff werden nutzen können, ist jedoch nicht sachgerecht. Auch in einem neuen europäischen Rechtsrahmen sollten Entgelte einen Bezug zu der erbrachten Leistung haben und sich die für die erbrachte Leistung tatsächlichen notwendigen effizienten Kosten widerspiegeln.

Außerdem gibt es viele Anhaltspunkte dafür, dass Wasserstoff in anderen Anwendungsfeldern und anderen Märkten eingesetzt wird gegenüber den heutigen Gasnutzungen. Eine Kontinuität der Kundengruppen, die eine Quersubventionierung von Wasserstoff durch Erdgasnutzer rechtfertigen könnte, ist überhaupt nicht zu erwarten. Gerade im Wärmemarkt erscheint der Einsatz von Wasserstoff unrealistisch. Technische Gründe und die Tatsache, dass die zu dessen Versorgung benötigten sehr große Mengen an Wasserstoff nicht wirtschaftlich bereitgestellt werden können, sprechen dagegen. Auch stehen effizientere Technologien bereit. Warum sollen Haushaltskunden über die von Teilen der Branche geforderte Quersubventionierung die insbesondere für die Industrie benötigten Wasserstoffnetze mitfinanzieren? Und warum sollen die neuen Wasserstoffanwender beispielsweise die immer noch andauernde Umstellung der L-Gasnetze auf H-Gas mitfinanzieren?

Mit der Energiewende auch in der Industrie und dem Verkehrsmarkt, und nichts anderes ist der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft, werden sich ebenfalls die bisherigen Geschäftsmodelle ändern müssen. Eine Quersubventionierung wird aus meiner Sicht den nötigen Transformationsprozess eher verzögern als fördern.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Zerres. Wir freuen uns schon auf Ihren Vortrag.

 

 

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