Referentinnen-Interview mit Miriam Brandes
Wir haben Miriam Brandes (Senior Political & Regulatory Affairs Officer, European Energy Exchange) im Vorfeld zur gat | wat 2022 in einem Interview einige Fragen zum Thema Wasserstoff gestellt. Sie nimmt an der Diskussion „Vom Marathon zum Sprint – Tempo für die Wasserstoffwirtschaft“ am ersten Kongresstag am 18. Oktober um 12:50 Uhr in Berlin teil.
Was sind die wesentlichen Voraussetzungen für einen effektiven und kostenschonenden Markthochlauf von Wasserstoff?
Eine Voraussetzung ist ein über alle Verbrauchsektoren hinweg einfaches und standardisierbares Zertifizierungssystem für Wasserstoff. Dabei sind einfache Zertifizierungsgrundsätze unerlässlich, idealerweise mit einer europaweiten Handelbarkeit und der Akzeptanz von außereuropäischen Zertifikaten. Notwendig sind außerdem einheitliche Marktregeln und Qualitätsstandards sowohl für den physischen Wasserstoff als auch für Wasserstoffderivate. Es ist wichtig, dass Subventionssysteme den Marktaufbau im Blick und keine marktverzerrende Wirkung haben. Darüber hinaus halten wir Initiativen wie die CAPEX-Förderungen oder das H2Global-System für sinnvoll, weil hier ein Anreiz zur Marktteilnahme für Verkäufer und Käufer existiert.
Wie lange wird der Aufbau der Wasserstoffhandelsmärkte dauern, bis er vergleichbar ist mit den jetzigen Strom- und Energiemärkten?
Ich glaube, dass wir einen liquiden Wasserstoffhandel in fünf bis zehn Jahren sehen werden, denn der Markt ist gerade erst am Entstehen. Der Handel mit Wasserstoff startet nicht von „jetzt auf gleich“, sondern es sind viele Bausteine, die dazu hinführen. Dazu gehört es, zunächst kleine Märkte z.B. auf Clusterebene aufzubauen und darauf basierend den Wasserstoffhandel zu entwickeln. Geklärt werden müssen dazu auch Fragen nach dem Standort der Elektrolyseure, nach der Bereitstellung von grünen Stromquellen, dem Transport, der Speicherung und – zentral – der Zertifizierung des Wasserstoffs.
Welchen Beitrag können die Handelsmärkte schon heute für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft leisten?
Transparenz ist hier von großer Wichtigkeit. Dazu trägt die EEX bei durch den Aufbau eines Wasserstoff-Indexes, der erste Transparenz über die Marktsituation schafft. Den Marktaufbau im Blick bringt die EEX zudem bereits heute ihre Expertise ein, damit die für den Handel entscheidenden regulatorischen Weichenstellungen gesetzt werden. Sobald schließlich eine ausreichende „physische“ Menge an Wasserstoff vorhanden ist (erwartet ab ca. 2024), geht es um den Aufbau von ersten Märkten.
Wie müssen die Marktregeln aussehen, um den Erfolg des Handels sicherzustellen?
Ein diskriminierungsfreier, regulierter Netzzugang wie im Strom- und Gasmarkt ist für den Aufbau von Wasserstoffmärkten absolut unerlässlich. Zusätzlich sind europaweite einheitliche Markt-, Bilanzierungs-, Qualitäts-, und Zertifizierungsregeln die Grundvoraussetzung für den Aufbau liquider und resilienter Märkte in Europa. Zudem sollten sämtliche Akteure einbezogen werden – das umfasst auch die künftigen Netzbetreiber oder Marktgebietsverantwortlichen, die sich am Markt mit Regelenergie eindecken sollten, um die Marktentwicklung voranzutreiben und ihre Beschaffung zu geringstmöglichen Kosten durchzuführen.
Welche Vorteile hätte es die Zertifikatsausgabe an der CO2-Emission der Produktionsmethode (Stichwort grüner oder blauer Wasserstoff) auszurichten?
Die reine Orientierung an der CO2-Emission der Produktion hat den Vorteil, dass das ausgegebene Zertifikat nach Beendigung der Produktion klar definiert ist und sich nicht mehr verändert. Werden Transportemissionen mit einbezogen, verändert sich das Zertifikat gewissermaßen ständig, ein standardisierter, anonymer Handel ist schwer durchführbar. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Liquidität des Marktes und damit die entsprechenden Transaktionskosten für Verkäufer und Käufer. Außerdem ließen sich kaum transparente Preise ermitteln, weil die Zertifikate nur bedingt vergleichbar wären.
Vielen Dank für das interessante Interview, Frau Brandes. Wir freuen uns schon auf Ihren Beitrag auf der gat | wat 2022.