Wie können wir unsere Wasserressourcen für die Zukunft absichern? Darüber sprechen wir mit Dr. Bettina Hoffmann

Interview mit Dr. Bettina Hoffmann

 

Dr. Bettina Hoffmann ist seit Dezember 2021 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Wir freuen uns darüber, dass Frau Dr. Hoffmann als Referentin auf der wat in Berlin teilnehmen wird, um über wichtige Themen für eine sichere Wasserversorgung zu sprechen. In einem Interview mit Frau Dr. Hoffmann konnten wir bereits einen Einblick über die elementaren Herausforderungen der Ressource Wasser bekommen und die Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie beleuchten.

 

 

 

 

 

 

Wasser als wichtigste Ressource ist in Deutschland unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt. Was sind angesichts dieser Herausforderungen die Hauptthemen beziehungsweise Haupthandlungsfelder der Nationalen Wasserstrategie?

Die Klimakrise stellt alte Gewissheiten in Frage. Mehrere Dürrejahre in Folge haben gezeigt: Deutschlands Wasserreichtum ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir brauchen mehr Anstrengungen, um den natürlichen Wasserhaushalt wiederherzustellen. Daher bündelt die Nationale Wasserstrategie die Kräfte von Bund, Ländern und Kommunen sowie Forschung, Zivilgesellschaft und Wasserwirtschaft.

Eine ausreichende, faire Verteilung der Wasserressourcen ist ein weiteres Thema für die nächsten Jahre. Genauso wie die Vorsorge gegen Extremwetter wie Starkregenereignisse. Dabei ist der Fokus auf naturbasierte Lösungen wichtig: Böden, die Wasser speichern und rückhalten, sind elementar für die Grundwasserneubildung.

Ebenfalls eine Herausforderung bleibt trotz unbestreitbarer Fortschritte die Wasserverschmutzung. Spurenstoffe aus Arzneien und Haushaltschemikalien beispielsweise verschmutzen das Wasser dauerhaft. Und es kommen immer neue Spurenstoffe hinzu. Mit dem Spurenstoffzentrum gehen wir im BMUV viele dieser Risiken schon heute an.

Weitere Themen sind der Erhalt der Infrastrukturen und deren Anpassung an die Herausforderungen von Klimakrise, demographischen Wandel und Digitalisierung.

 

Die Nationale Wasserstrategie umfasst rund 77 Maßnahmen. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung der geplanten Handlungen oder auf welchem Bereich liegt noch zu wenig Aufmerksamkeit?

Die Nationale Wasserstrategie nimmt uns alle in die Pflicht. Gemeinsam müssen wir bis 2050 für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser sorgen. Es geht um elementare Fragen der Daseinsvorsorge, etwa die ausreichende Versorgung mit Trinkwasser.

Welche Maßnahmen die Bundesregierung anstoßen wird, stimmt sie derzeit ab. Dabei bindet sie selbstverständlich auch die Länder und die Wasserwirtschaft ein. Sehr schnell beginnen werden wir mit den Ländern die Erarbeitung einer Leitlinie, die den Entscheidungstragenden vor Ort einheitliche Kriterien für die Priorisierung von Wassernutzungen an die Hand gibt. Im BMUV planen wir zudem – als Teil des mit 4 Milliarden Euro ausgestatteten „Aktionsprogramms natürlicher Klimaschutz“ – ein Förderprogramm für klimabezogene Maßnahmen der Wasserwirtschaft und zur Gewässerentwicklung; das war lange ein unterbelichtetes Thema. Zugleich verbessern wir die Wissensgrundlage und stärken die Prognosefähigkeit der Entscheidenden vor Ort. Wir brauchen verstärkt modellgestützte regionale Szenarien der künftigen Entwicklung von Wasserdargebot und Wasserbedarfen. Denn hieraus können Länder und Kommunen Wassernutzungs- und Wasserversorgungskonzepte entwickeln, die Nutzungskonflikten vorbeugen und Grundlagen für Infrastruktur- und Ansiedlungsplanungen schaffen.

 

Stichwort Wassernutzungshierarchie: Die Bundesregierung schafft generelle Leitlinien, jedoch ohne einen gesetzlichen Rahmen. Wenn die Kriterien regional angepasst werden können, erwarten sie dann Nutzungskonflikte und eine Vielzahl an gerichtlichen Auseinandersetzungen?

Wir brauchen neue Regeln. Die höchste Priorität hat die Versorgung mit Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen. Danach wird es spannend: Muss zuerst das Schwimmbad dichtmachen, oder dürfen die Bewohnenden einer Stadt ihre Gärten nicht mehr wässern? Bekommt ein Lebensmittelhersteller oder die Landwirtin kein Wasser mehr vom öffentlichen Wasserversorger?
Damit nicht jede Kommune ihre eigenen Regeln machen muss, wollen wir einen bundesweit einheitlichen Rahmen schaffen. Nicht Flickenteppich, sondern Vergleichbarkeit. Fairness und Transparenz ist das Ziel. Dabei müssen wir anerkennen, dass das Spektrum der Nutzungen sehr unterschiedlich sein kann, und wir deshalb ein Stück Flexibilität brauchen. So haben beispielsweise ländliche Kommunen in einigen Bereichen andere Voraussetzungen und Bedarfe als solche in Ballungszentren.

 

Die Grundlage des BMUV-Entwurfs für eine Nationale Wasserstrategie sind unter anderem Anmerkungen aus der Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und der Koalitionsvertrag. Zusätzlich gab es aber auch einen zweijährigen Nationalen Wasserdialog. Wie breit gefächert war dieser Dialog, wer hat alles daran teilgenommen?

Der zweijährige Nationale Wasserdialog wurde mit dem 2. Nationalen Wasserforum Anfang Oktober 2020 abgeschlossen. Nach intensiven und konstruktiven Diskussionen mit Fachleuten aus Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Industrie, aus Wissenschaft, Praxis, den Verwaltungen und verschiedenen Interessenvertretungen und Verbänden wurde das Abschlussdokument zum Nationalen Wasserdialog veröffentlicht.

Nach der Beteiligung der Fachwelt wurden die Meinungen und Perspektiven interessierter Bürger:innen aufgenommen. Im Februar 2021 wurden deren Standpunkte in vier regionalen Werkstätten vertieft. Die Ergebnisse dieser Werkstätten und eines Jugendworkshops bilden gemeinsam mit einem Online-Dialog die Grundlage für einen „Bürgerinnen- und Bürgerratschlag“, der Anfang Juni 2021 der damaligen Bundesumweltministerin Svenja Schulze übermittelt wurde.

 

Das „Gut Wasser“ und dessen tägliche Nutzung scheint oft noch selbstverständlich. Wie kann mehr Sensibilisierung geschaffen werden, um das Bewusstsein für die Ressource Wasser zu stärken?

Wir müssen als Gesellschaft deutlich bewusster mit dieser kostbaren Lebensressource umgehen. Wasserverschwendung können wir uns nicht mehr leisten. Auch in 30 Jahren soll sauberes Wasser immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar sein.

Damit das gelingt, brauchen wir ein verändertes Bewusstsein, Investitionen und Technik, aber auch einen anderen Umgang mit der Natur, die uns wirksame Lösungen bereitstellt. Auch die Infrastruktur, Landnutzung und Stadtentwicklung müssen sich noch besser an die Folgen der Klimakrise anpassen. Daher bündelt die Nationale Wasserstrategie die Kräfte von Bund, Ländern und Kommunen sowie Forschung, Zivilgesellschaft und Wasserwirtschaft. Und natürlich soll sie auch die Bürger:innensensibilisieren und aufklären.

 

Der DVGW hat hierzu das Zukunftsprogramm Wasser aufgelegt. Wie können Ihrer Meinung Branchenverbände wie der DVGW bei der Bewältigung der Herausforderungen noch unterstützen?

Fachverbände wir der DVGW, aber auch die DWA und andere, greifen die mit dem Nationalen Wasserdialog und dem Entwurf der nationalen Wasserstrategie identifizierten Zukunftsthemen auf und flankieren diese mit eigenen Prozessen und Programmen. Das begrüße ich sehr, denn das hilft unter anderem, diese Themen in der Fachwelt zu verankern und deren Expertise für die Entwicklung von Lösungen und deren Umsetzung zu mobilisieren.

Die Fachverbände haben aber auch eine wichtige Funktion bei der Schaffung eines veränderten Bewusstseins im Umgang mit unseren Wasserressourcen. Auch deshalb ist es wichtig, dass Politik und Fachverbände im engen Austausch bleiben. Zudem können die Fachverbände über ihre Regelwerkentwicklung Beiträge zur Umsetzung der Zielsetzungen der Nationalen Wasserstrategie leisten, denn es sind diese Regelwerke, an denen sich die Praxis orientiert.

 

Vielen Dank für das ausführliche Interview, Frau Dr. Hoffmann. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen und anderen Fachexpert:innen auf der gat | wat 2022, um weiterhin Sensibilisierung und Bewusstsein für das Thema zu schaffen.

 

 

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