Interview mit Ex-Rennradprofi Marcel Wüst

Interview mit Ex-Rennradprofi Marcel Wüst zum Thema „Change und Motivation“

Herr Wüst, am 28.11. sprechen Sie auf unserem Dialogforum im Rahmen der Messe gat|wat über das Thema „Change und Motivation“. Mit über 100 Siegen sind Sie einer der erfolgreichsten deutschen Radprofis. Wie haben Sie es in Ihrer Karriere geschafft, sich immer wieder neu für weitere Höchstleistungen zu motivieren?

Da der Wunsch Radprofi zu werden mein Kindertraum war, habe ich da motivationstechnisch sicher einen großen Vorteil gehabt. Allerdings sind gerade die körperlichen Strapazen im Grenzbereich, und hier besonders im Training, häufig schwierige Extremsituationen. Das anvisierte Ziel immer im Auge zur haben und sich auch darauf zu besinnen wie hart der Weg „bis hierhin“ schon gewesen ist, das sind ganz wichtige Faktoren. Wer beispielsweise bei Kilometer 37 eines Marathons aufgibt, der hat sich bis dorthin umsonst gequält und wird, weil der die letzten 5 km nicht mehr schafft sein Ziel diesmal nicht erreichen – und oft hat man nur einmal die Chance – dann erreicht man es nie! Visualisierung von Erfolg ist da deutlich hilfreicher, als das erörtern von Möglichkeiten warum man scheitern könnte.

Sie sagen: „Erfolg haben heißt Leistung bringen.“ Wie wichtig sind dabei ein eiserner Wille und Flexibilität?

Beides sind Grundvoraussetzungen. Nur der eiserne Wille, und seine Umsetzung, gepaart mit Motivation, (s.o.) führt uns nachhaltig zum Erfolg. Wie heißt es so schön: Machen ist wie wollen, nur krasser!
Wenn sich aber grundsätzlich wichtige Parameter verändern, dann muss man sich anpassen – „survival oft he fittest“ kommt ja vom englischen Verb to fit – passen, anpassen, reinpassen. Wer sich der Veränderung verschließt, der wird schnell und vermutlich für immer abgehängt werden… ohne Chance die Lücke jemals zu schließen. Im Radsport gilt das wie im täglichen (Business)Leben.

Nach einem Sturz im August 2000 mussten Sie Ihre Karriere beenden. Welchen Ratschlag geben Sie anderen Menschen, um sich nach Rückschlägen im Berufsleben wieder neu zu motivieren?

Zum einen hilft es manchmal sich damit auseinander zu setzen, dass es ja noch viel schlimmer hätte kommen können. Statt einäugig, mit Schädelfraktur und den zahlreichen anderen Blessuren hätte ich auch in der Ambulanz mein Leben aushauchen können. Dafür, dass das nicht passiert ist, bin ich sehr dankbar! Motivation heißt, neue Ziele formulieren, für die man brennt – aber Achtung, ohne auszubrennen! Das wichtigste wäre sich bei seiner Berufswahl berufen zu fühlen. Wer seinen Job nur macht, weil er muss, der wird echte, von innen kommende, Motivation kaum verspüren. „Eselmotivation“ durch Belohnungs- oder Bestrafungsprinzip führt auf Dauer nicht an das Ziel, welches man von Herzen erreichen möchte.

Die Energiebranche steht vor großen Herausforderungen. Die Energiewende, der Klimawandel und der demographische Wandel kennzeichnen die Branche. Nachhaltige Lösungen für die Versorgung mit Energie und Wasser unter veränderten gesellschaftlichen und politischen Vorzeichen müssen gefunden werden. Damit sind wir beim Thema Change. Welchen Hinweis haben Sie für die Energiebranche mit solch großen Herausforderungen umzugehen?

Bei großen Herausforderungen kommt es, besonders, wenn man kaum auf langfristige Erfahrungen anderer zurückgreifen kann, auch immer wieder zu Rückschlägen – dafür muss man gewappnet sein!
Eine ehrliche Analyse zur Bestimmung von Gründen für diese Rückschläge ist unumgänglich.
Häufig haben „die Anderen“ Schuld – das ist der einfachste und bekannteste Weg…
Konstante Reflexion während aller Prozesse ist genauso vonnöten, wie das Hinterfragen (und in einem Team auch konsequente Kommunizieren!) der eventuell selbst gemachten Fehler.
Nur gemeisterte Misserfolge machen uns besser, zumindest auf lange Sicht.
Durch die Art und Weise wie wir in unserer Gesellschaft konditioniert werden, sind Misserfolge aber weder akzeptiert, noch werden sie klar kommuniziert. Das Resultat ist, dass gerade in großen Organisationen ganz viele Menschen dieselben Fehler machen, denn alle ziehen die Köpfe ein und hoffen, dass keiner die Fehler bemerkt hat – das ist im Profisport anders!

Die gat|wat ist in diesem Jahr in Köln zu Gast. Welchen Geheimtipp haben Sie als „Kölsche Jung“ für unsere Kongress- und Messebesucher, den sie in Köln auf keinen Fall verpassen sollten?

Jeder sollte sich eine Postkarte mit den 11 Artikeln des kölschen Grundgesetzes mitnehmen, und diese gut sichtbar am Arbeitsplatz oder zu Hause aufhängen. Wer danach lebt, tut dies erfolgreich und vor allem deutlich entspannter – da in der Ruhe die wahre Kraft liegt, kann man sein Leben allein durch die damit eingehende Stressreduktion deutlich verbessern.
Ansonsten empfehle ich Einheimische im Brauhaus auf ein Kölsch einzuladen. Er / Sie wird, oder werden sich revanchieren und man kann grandiose Abende mit bis dahin total Unbekannten verbringen. Als letztes: Lasst Euch davon inspirieren, dass wir in Köln 90% des Gesamtdeutschen Liedguts bezüglich Heimat / zu Hause haben – der Rest der Republik teilt sich die verbleibenden 10% – wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder… Prost!

Herr Wüst, vielen Dank für das interessante Gespräch!