Was ändert sich für die Wasserversorger mit der Umsetzung der TrinkwV 2023? Lesen Sie dazu mehr in unserem Interview mit Dr. Ulrich Borchers

Referenten-Interview mit Dr. Ulrich Borchers

 

Dr. Ulrich Borchers ist Leiter des Geschäftsbereichs Wasserqualität am IWW Zentrum Wasser in Mülheim an der Ruhr. Wir freuen uns Herrn Borchers als Referenten auf der gat | wat 2022 in Berlin begrüßen zu dürfen. Der Fokus seiner Diskussion in Berlin liegt auf der Nationalen Umsetzung der TrinkwV 2023 und findet am ersten Kongresstag der wat statt.

 

 

 

 

 

 

Bitte erläutern Sie die wichtigsten Neuerungen der TrinkwV 2023 für die Wasserversorgungsunternehmen an einigen Punkten!

Die neue Trinkwasserverordnung wird einen ganzen Strauß an Änderungen und Neuerungen für die Wasserversorger mit sich bringen, um die Anforderungen der EU-Trinkwasserrichtlinie umzusetzen. Wir werden von einer rein qualitätsorientierten Konzeption zu einem eher managementorientierten Ansatz der Verordnung umschwenken. Neben dem verpflichtenden Risikomanagement von der „Quelle bis zum Zapfhahn“ als gravierendster Neuerung wird es eine Reihe neuer Überwachungsparameter geben, von denen wohl die perfluorierten Spurenstoffe (PFAS) aufgrund ihrer Toxizität die wichtigste Rolle einnehmen. Daneben werden einige Grenzwerte weiter abgesenkt.

Schließlich sind die deutlich zunehmenden und detaillierten Verbraucher*innen-Informationspflichten sowie das Verbot von Bleileitungen zu nennen.

Es wird eine Zeit dauern, bis die Fülle an Details und Regelungen von den Wasserversorgern verinnerlicht werden können, obwohl der Gesetzgeber eine klarere Struktur, kürzere Paragrafen und leichtere Verständlichkeit versprochen hat.

 

Mit der TrinkwV 2023 wird ein neuer risikobasierter Ansatz für Entnahmestellen, Versorgungssystemen und Hausinstallationen eingeführt. Was bringt diese nationale Umsetzung des Risikomanagements mit sich?

Das Risikomanagement in der Wasserversorgung über das gesamte System der Gewinnung bis zum Zapfhahn wird die Verbraucher*innen-Sicherheit weiter erhöhen und für eine noch bessere Umsetzung des DVGW-Regelwerks sorgen. Starre Überwachungspflichten werden sinnvolleren und angepassten weichen und es wird eine Fokussierung auf die lokal und situationsbedingten Anforderungen und Risiken geben. Für diejenigen, die in die Thematik noch nicht eingestiegen sind, wird es ein erheblicher Arbeitsaufwand sein, insbesondere gibt es einen „Aktivierungsberg“ bis zur Einführung. Es gibt jedoch über die DVGW-Institute gute und kompetente Hilfe, auch über online verfügbare Risikomanagement-Tools wie TRIM-online.de.

 

Künftig sollen den Gesundheitsämtern Risikobewertungen beinahe aller Wasserversorgungsanlagen zur Genehmigung vorgelegt werden. Sehen Sie hier eine zusätzliche geschaffene bürokratische Aufwendung oder notwendige Transparenz?

Die Gesundheitsämter sind traditionell für die Überwachung der Wasserversorger und die Umsetzung der TrinkwV zuständig und für diese Aufgabe auch kompetent sowie gerüstet. In der Corona-Zeit war in den Ämtern der Fokus ja sehr stark auf die Pandemie-Bekämpfung gerichtet. Dies wird sich sicher wieder ändern und man kann hoffen, dass die Personalaufstockungen nachhaltig zugunsten der Trinkwasserüberwachung beibehalten werden können.

Der bürokratische Aufwand ist in dem Kontext wohl unvermeidlich, weil die Kontrollaufgabe nicht entfallen kann. Auf der Seite der Wasserversorger wird das Know-How zum Risikomanagement sicher schnell zunehmen, wozu die Fortbildungsprogramme der DVGW Kongress sicher zuverlässig beitragen werden. Im gleichen Zuge muss jedoch das Personal der Gesundheitsämter auch solide fort gebildet werden, weil aus dem Stand eine Kontrolle von Management-Systemen fachlich nicht geleistet werden kann. Dies sollte gezielt unterstützt und durch Referent*innen aus dem DVGW-Umfeld bereichert werden, das kommt am Ende beiden Seiten zugute.

 

Die bisher gültige TWVO hat 25 Paragraphen (und 5 Anlagen), in der neuen werden es 73 Paragraphen (und 7 Anlagen) sein. Wie bewerten Sie die komplette Neustrukturierung der Inhalte im Hinblick auf Detailtiefe und Umfang?

Dazu muss ich mir noch ein genaueres Bild machen, um das stimmig bewerten zu können. In jedem Fall wirkt es von der Menge der Paragrafen und den Bestimmungen her erst einmal verwirrend viel. In Gesprächen mit dem BMG war jedoch zu erfahren, dass der Umfang der Regelungen insgesamt nahezu gleich geblieben sei und dass eine Umstrukturierung, Verkürzung der Paragrafen, Abbau von Querverweisen und genauere Beschreibung von Sachverhalten zur besseren Verständlichkeit sowie Lesbarkeit beitragen sollen. Dies wäre zu hoffen und zu verifizieren.

 

Was werden Ihrer Meinung nach die elementaren Herausforderungen in der Umsetzung der neuen Richtlinie sein?

Die größten Herausforderungen haben wir bereits in den Fragen angesprochen. Um es nochmal zusammenzufassen, können die beiden folgenden dominanten Aspekte genannt werden. Die relevanteste Herausforderung ist die breite Einführung des Risikomanagements durch die Wasserversorger. Damit ist viel Bedarf an neuem Wissen und auch viel Arbeit verbunden. Gleichermaßen stehen auch die Gesundheitsämter vor einer Herkulesaufgabe.

Daneben dürften insbesondere die PFAS für eine gewisse Zahl an Wasserversorgern (im einstelligen Prozentbereich) eine Herausforderung darstellen, weil im Falle einer Belastung die notwendig werdende Aufbereitung komplex und kostenintensiv ist. In dem Zusammenhang haben aber auch die Labore eine Herausforderung zu bewältigen, weil neue und zum Teil sehr empfindliche Messverfahren einzuführen sind.

 

Wir bedanken uns für das interessante Interview, Herr Dr. Borchers und freuen uns schon auf den gemeinsamen Austausch zu diesem Thema auf der gat | wat 2022.

 

 

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