Referenteninterview Thomas Heim

Referent Thomas Heim im Interview

 

Im Vorfeld zur gat | wat 2021 haben wir mit Thomas Heim (CSO & CMO, Mitglied des Executive Boards, Viessmann Climate Solutions SE) über die Auswirkungen von Energie- und
Klimapolitik auf die Branche gesprochen.

Herr Heim ist beteiligt bei unserem „Energie- und klimapolitischen Diskurs: Umsetzungsstrategien der Branche“ am 24. November 2021 um 11:00 Uhr.

 

 

 

 

 

In Deutschland ist der Wärme- und Gebäudesektor für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich und hat damit einen besonders hohen Einfluss auf die Erreichung globaler Klimaziele. Welche energie- und klimapolitischen Entwicklungen konnten Sie hier in den letzten Jahren beobachten? 

75 Prozent unserer privaten CO2-Emissionen entstehen durch Heizung und Warmwassererzeugung. Rechnet man die Prozesswärme hinzu, steht der Wärmesektor für über 50 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland.

Der Gebäudesektor hat als einziger Sektor im vergangenen Jahr sein CO2-Minderungsziel verfehlt. Die Emissionen müssen von rund 120 Millionen Tonnen CO2 bis zum Jahr 2045 auf null zurückgehen. Im Unterschied zu anderen Sektoren sind die Lösungen aber heute bereits verfügbar und können deshalb praktisch ab sofort einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten.

Dabei stellen strombasierte Produkte wie hocheffiziente Wärmepumpen eine wichtige Säule dar. Eine zentrale Rolle werden künftig auch grüne Gase spielen, insbesondere grüner Wasserstoff, da aktuell rund 13 Millionen Haushalte und 1,8 Millionen Unternehmen in Deutschland mit Gas heizen und wir diese Anwendungsfelder nur dann nachhaltig dekarbonisieren können, wenn wir auch den Bestand adressieren.

Jetzt gilt es, die Anstrengungen für den Gebäudesektor zu forcieren und gleichzeitig zu beweisen, dass die Wärmewende auch eine Chance für Wachstum und Komfort ist.

 

Effiziente Systeme und innovative Technologien sind vor diesem Hintergrund von immer größerer Bedeutung. Vor welchen Herausforderungen steht die Branche bei der Umsetzung dieser Technologien?

Viele effiziente Systeme und innovative Technologien sind bereits im Markt fest etabliert, z. B. Brennstoffzellen-Heizgeräte. Andere Technologien stehen bereits in den Startlöchern, so z. B. Gas-Heizgeräte für die Nutzung von 100 Prozent grünem Wasserstoff. Die Politik muss erkennen, dass nicht nur rein elektrische Lösungen ein Weg hin zum dekarbonisierten Gebäudesektor sind, sondern dass vielmehr ein sinnvoller Mix aus erneuerbarem Strom und Wasserstoff erforderlich ist, um die Gebäudewende unter Beteiligung aller und für alle bezahlbar zu schaffen.

 

Smarte Energiemanagement-Systeme sind ein passendes Beispiel, um den individuellen Energieverbrauch zu optimieren. Welche Vorteile bietet diese Innovation für Handwerkspartner und Verbraucher:innen? 

Solche Energiemanagement-Systeme machen die Energieflüsse im Haus für die Bewohner:innen transparent. Das vereinfacht erheblich das Energiesparen. Wir haben deshalb ein solches Energiemanagement in unsere neue Elektronik-Plattform integriert. Sie kommt sowohl in unserer neuen Wärmepumpen-Generation zum Einsatz als auch in unseren modernen Gas-Brennwertgeräten.

Besonders für Systemlösungen aus Photovoltaik-Anlage, Wärmepumpe, Stromspeicher und Ladestation für E-Fahrzeuge ist unsere GridBox die ideale Ergänzung. Sie veranschaulicht nicht nur den energetischen Zustand der verschiedenen Komponenten, wie etwa den Ladezustand des Stromspeichers, über die GridBox können die Anwender beispielsweise auch Prioritäten vorgeben. Zum Beispiel wohin der selbst erzeugte Strom aus der PV-Anlage zuerst hinfließen soll – in die Wärmepumpe, den Stromspeicher oder gleich an das E-Auto.

 

Mit Blick in die Zukunft: Welche energie- und klimapolitischen Entwicklungen halten Sie für notwendig, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen? 

Worum geht es uns bei der Energiewende eigentlich? Um abstrakte Nachhaltigkeit? Um neue Technologien? Um den globalen Klimaschutz? Oder vor allem um Verantwortung für Lebensräume zukünftiger Generationen. Eine Verantwortung, die sich zeitlich nicht verschieben lässt. Eine Verantwortung, der wir uns jetzt stellen müssen.

Dazu brauchen wir pragmatische und intelligente Lösungen. Wir müssen den Menschen nicht nur eine, sondern viele Optionen der Beteiligung anbieten. Denn nur dann können sie für sich und andere einen Beitrag für die Umwelt leisten, den sie sich auch “leisten” können. Ohne eine Berücksichtigung sozialer Verhältnisse wird die Akzeptanz der Menschen für die Energiewende drastisch sinken.

Neben der Dekarbonisierung des Wärmesektors durch den deutlich verstärkten Einsatz hocheffizienter elektrischer Lösungen wie der Wärmepumpe, müssen deshalb von der Politik auch weitere Optionen berücksichtigt werden. Aus unserer Sicht ist der richtige Mix an Klimalösungen auf Basis von Strom und grünen Gasen der richtige Schritt. Neben Wärmepumpen ist die andere effiziente und schnelle Lösung im Wärmemarkt der Einsatz von grünen Gasen, insbesondere Wasserstoff.

 

Und welche Rolle werden dabei Ihrer Einschätzung nach klimaneutrale Gase spielen?

Der Einsatz grüner Gase, vor allem von grünem Wasserstoff, bedeutet eine effiziente und schnelle Lösung für die Dekarbonisierung des Wärmemarktes. Weil wasserstofffähige Lösungen in Form von modernen Gas-Brennwertgeräten und Brennstoffzellen-Heizgeräten bereits heute verfügbar sind. Allein im vergangenen Jahr haben sich in der EU rund 150.000 Kunden für neue Gas-Brennwertgeräte der Vitodens 300er- und Vitodens 200er-Reihen entschieden, die mindestens 20 Prozent Wasserstoff im Erdgas nutzen können und sogar eine 30-prozentige Beimischung problemlos und effizient in Wärme umwandeln. Geräte für die Nutzung von reinem Wasserstoff sind derzeit in der Entwicklung und werden in ein paar Jahren marktreif sein. Damit kann der Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt einen entscheidenden Beitrag zur CO2-Reduktion leisten.

Je früher wir im Wärmemarkt Wasserstoff als Energieträger einbinden, desto eher senken wir nicht nur die CO2-Emissionen sondern auch die Kosten für die Energiewende – und damit auch die Mittel, die aus Abgaben, Umlagen und Steuern von Verbrauchern oder Unternehmen dafür aufgebracht werden müssen. Die Leitstudie der Deutschen Energieagentur verdeutlicht das volle Potenzial: Ein Mix aus Strom und grünen Gasen, inklusive Wasserstoff, im Gebäudesektor kann die Energiesystemkosten bis zum Jahr 2050 um mindestens 260 Milliarden Euro senken. Auch weil der Ausbau von Stromnetzen und Reservekraftwerken deutlich geringer ausfällt, wenn wir die bestehende Gasinfrastruktur für Wasserstoff ertüchtigen.

Eine Wasserstoffwirtschaft oder -gesellschaft ist schlichtweg nicht ohne den Wärmesektor denkbar: Ohne eine sichergestellte Nachfrage wird es keine Investitionssicherheit für die notwendige Erzeugungskapazität, wie auch Übertragungsinfrastruktur geben.

 

Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Heim. Wir freuen uns schon auf Ihren Beitrag zum „Energie- und klimapolitischen Diskurs: Umsetzungsstrategien der Branche“.

 

 

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